Johann Pohlabeln
Watt gev dat fruer masse Pütten
Es gibt sie noch in unserer Gemeinde, wenn auch nicht
immer in tadellosem Zustand, so doch oft blumengeschmückt und gepflegt.
Gemeint sind die früheren Püttenstandorte, wo für Mensch
und Tier Jahrzehnte- oft Jahrhundertelang das kostbare und lebenserhaltende
Nass gefördert wurde. Einige dieser Standorte wurden vom Heimatring
für die Nachwelt erhalten.
Für viele, besonders für die jüngeren unter uns, ist die
moderne Wasserversorgung längst zur Selbstverständlichkeit geworden.
Das war vor nicht einmal hundert Jahren noch ganz anders: der Brunnen-
die Pütte-, gebaut für die unmittelbare Nachbarschaft, war Versorgungsstandort
und Treffpunkt zum Austausch von Neuigkeiten
„ Häst’d all hört?“
Bei widrigen Wetterverhältnissen, strengem Frost
oder extremer Trockenheit, konnte die Wasserversorgung für Mensch
und Tier zu einem echten Problem werden. Dann konnte man beobachten, dass
die Mitglieder der Püttengemeinschaft anstehen mussten, um sich und
ihre Tiere mit dem kostbaren Nass versorgen zu können. Der Transport
des Wassers ins Haus geschah mittels des „ Jück“, einer
hölzernen Tragehilfe auf den Schultern, an der sich zwei Eimer aufhängen
ließen. Ein besonders gleichmäßiger Gang garantierte,
dass möglichst viel Wasser im Eimer blieb. Als Kind war ich fasziniert
von der Taktik der Erwachsenen, die Fallgeschwindigkeit des Wassereimers
zum Wasserspiegel zu regulieren, indem mit dem linken Unterarm gegen die
an der Stelle glatt geschliffene Kurbelwelle gedrückt wurde. Vorsicht
war dann geboten, denn die freigelassene Kurbel drehte sich mit einer
enormen Geschwindigkeit und mit entsprechender Schlagkraft.
Der Brunnenvorplatz war mit ausgesuchten, meist flachen Findlingen gepflastert,
so konnte verschüttetes Wasser keinen Morast bilden und die „
Holsken“ blieben sauber.
Anfang 1930 bestand unsere alte Püttengemeinschaft aus 13 Haushalten:
Scheperjanshämsine, Willerkenkessensine, Poulobeln, Rohjansroufsine,
Többen, Schouäntun, Geeders, Fennen, Heisserwillsine, Heisserjansine,
Grootroufsine, Walke und Schaustermeyer.
In den 20er Jahren wurden immer mehr Höfe an die Stromversorgung
angeschlossen und Mitte der 30er bildete sich eine Interessengemeinschaft
für eine neue Pütte, für eine elektrisch betriebene Pumpe
mit einem Wasserleitungssystem zu den angeschlossenen Höfen. Über
die notwendigen, im Vorfeld zu treffenden Entscheidungen, gab es bald
unvermeidliche Meinungsverschiedenheiten. Anfang des Jahres 1936 hatte
man sich dann geeinigt, welcher der vier in Lorup ansässigen Betriebe,
die in der Lage waren, eine solche Installation zu bauen, beauftragt werden
sollte: Wilhelm Perk bekam die Aufgabe übertragen, eine Pumpe zu
bauen, die die Höfe Geeders, Schaustermeyer, Walke, Schultgeers,
Heisserwillsine und Fennen mit fließendem Wasser versorgte. (Der
Neubau Förster Lammers wurde ca. 1960 noch nachträglich mit
angeschlossen). Die Betonbauarbeiten, die Herstellung der so genannten
Püttenringe, wurde an Pohlabeln (Waldeslust) vergeben. Einige der
Ringe wurden mit den Herstellungsdaten versehen. 21 der in Durchmesser
und Breite 1 Meter messenden Ringe wurden benötigt. Die noch fehlenden
Meter bis zum Grundwasserspiegel überbrückte ein mehrere Meter
langer Kupferfilter.
Aber zu allererst musste Wasser gefunden werden, bzw. eine Stelle, die
sich sowohl vom Standort als auch von der Höhe des Grundwasserspiegels
für eine Brunnengrabung eignete. Lehrer Kampling ermittelte diese
Stelle mit einer Wünschelrute in unserem Garten („achtert Hus“).
Zwei Püttenrüher (Fachleute für Reinigung und Instandhaltung
von Pütten) wurden mit der Grabung beauftragt.
Dazu wurde über der zu grabenden Pütte ein so genannter Dreibock
errichtet, in dessen Spitze eine Rolle mit Seil befestigt wurde, mit deren
Hilfe der Aushub nach oben gezogen werden konnte.
Was für eine Arbeit! Heute kaum noch vorstellbar: zuerst wurde eine
6 -7 Meter dicke Lehmschicht überwunden, mit der Schaufel, in Handarbeit!
Die Püttenringe wurden an der Unterkante unterhöhlt, so dass
sie durch ihr Gewicht nach unten sackten. War ein Ring eingearbeitet,
wurde oben der nächste aufgesetzt.
Aber mit dem Graben der Pütte allein war es nicht getan, es mussten
auch noch die Wasserleitungen zu den Höfen verlegt werden, damit
endlich Wasser aus einem Wasserhahn im Haus fließen konnte. Ein
denkwürdiges Ereignis und eine enorme Arbeitserleichterung.
Dank der noch weiter gepflegten alten Pütte blieb im harten Winter
41/42 trotz eingefrorener Wasserleitungen die Wasserversorgung gesichert.
Unsere Eltern beruhigten uns Kinder, indem sie immer wieder erzählten,
dass die alte Pütte noch nie versiegt sei. Auch während der
vielen Stromausfälle zum Ende des 2. Weltkrieges konnten sich die
Menschen und ihre Tiere dank der alten Pütte mit Wasser versorgen.
Die alljährlich im Januar stattfindenden Püttenversammlungen
zur Abrechnung und zur Besprechung notwendiger Entscheidungen ähnelten
eher einer „Neijahrsvisite“ als einem Arbeitstreffen. Die
Treffen fanden in jedem Jahr in einem anderen Haushalt der Püttengemeinschaft
statt. Bei Tee, Neujahrskuchen und Schnaps wurde nach einem ausgeklügeltem
Punktesystem (Größe der Landwirtschaft, Anzahl de Tiere auf
dem Hof und Familiengröße), die anfallenden Strom- und Reparaturkosten
aufgeteilt. Zeitlich nahm die Abrechung den kleineren Teil der Püttenversammlung
in Anspruch, der wichtigere Aspekt war das Treffen zum Austausch von Neuigkeiten
„ Häst’d all hört?“
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